Ein neuer Gesellschaftsvertrag für die Landwirtschaft!

22.01.2018

Am 16. Januar hat das Bundesumweltministerium zum 2. Agrarkongress eingeladen, ich durfte, wie letztes Jahr, moderieren. Das hat mich sehr gefreut, denn beim Kongress sollte eine Idee aus dem letzten Jahr diskutiert werden, von der ich sehr viel halte, nämlich ein neuer Gesellschaftsvertrag für die Landwirtschaft.

Was gehört da alles rein? Und welche Bedürfnisse muss die Landwirtschaft erfüllen? Der Zeichner Daniel Freymüller hat digital aufgezeichnet, welche Bedürfnisse formuliert wurden:

 

 

 

 

 

 

Die Zeit ist reif für einen Gesellschaftsvertrag, der allen Bedürfnissen an eine gute zukunftsfähige Landwirtschaft rechnet trägt: Die Agrarpolitik muss in Zukunft sicherstellen, dass Artenvielfalt, Boden, Klima und Wasser geschützt werden. Aber auch die Tiere in den Ställen. Und die Landwirte. Die brauchen endlich faire Preise für ihre Arbeit. Zur zur Zeit müssen sie zusehen, wie ihre Erzeugnisse zu Billigpreisen aufgekauft und verscherbelt werden. Und wie die Reste obendrein im globalen Süden Märkte kaputtmachen. Die neue Agrarpolitik muss aber auch für gesundes Essen sorgen. Mediziner warnen vor ernährungsbedingten Krankheiten – mitten im Überfluss. Wir essen zu fett, zu süß, zu salzig. Besser wäre es, das Lebensmittelhandwerk zu stärken, oder die frischen Produkte direkt vom Hof auf den Tisch zu liefern. Auch die Forschung müsste sich dazu ändern und ganze Ökosysteme in den Blick nehmen.

Genug gestritten! 

In den letzten Jahren ist über die Landwirtschaft und ihre Auswirkungen so viel gestritten worden, dass die Fronten völlig verhärtet sind: Tierschützer gegen Massentierhalter, Veganer gegen Fleischesser, Pestizide gegen Pflanzenschutzmittel, konventionelle Landwirte gegen NGOs… Sogar die alljährliche „Wir haben es satt“-Demo von Umwelt- und Tierschützern und Bauern hat eine Gegendemo bekommen von Landwirten, die sagen: „Wir machen euch satt“ (und jetzt hört mal auf zu meckern).

Ein neuer Vertrag aller Beteiligten als Lösung

Das Bundesumweltministerium hat deshalb eine Idee von Prof. Peter Feindt aufgegriffen, der im Forschungsprojekt Za-Nexus zusammen mit anderen Agrarwissenschaftlern nach Lösungen aus der Dauerkrise gesucht hatte: eben einen Gesellschaftsvertrag, der Bürgerinnnen und Landwirte und alle wichtigen Stakeholder in einem fairen Prozess aushandeln lässt, wie die Agrarpolitik in Zukunft gestaltet werden soll. Diese Idee hat das Ministerium am 16. Januar in Berlin vorgestellt und mit Politikern, Wissenschaftlern, Beamten, NGOs, engagierten Bürgern und Landwirten aller Richtungen diskutiert. Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft hat eine Enquetekommission im Bundestag ins Gespräch gebracht, die gleiche Idee hatte Maria Flachsbarth, CDU-Mitglied und Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium von Christian Schmidt. Robert Habeck, Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein will lieber schnelle Erfolge mit konkrekten Änderungen.

Landwirtschaft, Ernährung, Erzeugerpreise – das alles muss sich ändern, so viel ist klar. Nur wie, das weiß noch keiner: Wie stellt man sicher, dass aus dem Gesellschaftsvertrag mehr resultiert als Schöndasswirgeredethaben? Und wie verhält sich ein Gesellschaftsvertrag zu Beschlüssen des Bundestags? Wäre dann die bewährte Form der Enquetekommission nicht besser, um alle Experten an einen Tisch zu bringen? Aber Gesellschaft – das soll ja viel mehr sein als Experten! Und wie werden die Verlierer des Prozesses reagieren? Was, wenn wirklich keine Ackerchemikalien mehr gebraucht würden…

Schwer zu sagen, so lange es an einer Regierung fehlt, die diesen Gesellschaftsvertrag auf den Weg bringen kann. Aber die Voraussetzungen sind gut: Denn im Kleinen funktioniert es längst: Solidarische Landwirtschaft, Ernährungsräte, Regionalwert AGs, das alles sind Gesellschaftsverträge zwischen Landwirtinnen und Konsumentinnen auf der Mikroebene.