Gute Reise, Luisa!

In meinem Buch „Die Wegwerfkuh“ beschreibe ich die modernen Holstein-Friesian-Milchkühe als Hochleistungssportlerinnen unter Leistungsdruck. Als Beispiel für die enorme Produktivität dieser Kühe habe die Rekordkuh „GHH Luisa“ erwähnt, die im Jahr 2011 über 20 000 Kilo Milch gegeben hat:

„21 168 Liter Milch in den 305 Tagen nach ihrem sechsten Kalb. Würde man diese Superkuh mit der Hand melken, müsste man Tag für Tag sieben volle Eimer vom Melkstand wegschleppen. Welch immense Stoffwechselleistung hinter dieser Milchmenge steckt, kann man erst ermessen, wenn man sich vor Augen hält, dass fünfhundert Liter Blut durch das Euter strömen, um einen einzigen Liter Milch zu erzeugen. Das Herz der Kuh Luisa hat also während ihres Milchrekordjahres täglich 35 000 Liter Blut allein durch das Euter gepumpt (und noch mehr durch die Leber).“

Jetzt hat sich Jens Hellmanns, Luisas Besitzer, bei mir gemeldet, und seine Mail hat mich so gerührt, dass ich sie hier einfüge (mit sder Herr Hellmann, Luisas Besitzer, ist einverstanden). Ich freue mich sehr, dass Luisa jetzt nicht mehr nur ein Name ist – und für einen unglaublichen Rekord steht, sondern dass ich sie – posthum – auch als Invidiuum kennenlerne.

 

„Einen schönen guten Abend,

bin heute Abend gerade durch Zufall auf ihr Buch „Die Wegwerfkuh“ gestoßen.
Ich bin der Besitzer der Kuh GHH Luisa, die sie ja in ihrem Buch erwähnen. Fühlte mich im ersten Moment ja fast geehrt das eine Kuh aus meinem kleinen Kuhstall (2011 ca. 30 Kühe) den Sprung in die deutsche Medienwelt geschafft hat, fühle mich in dem Zusammenhang ja aber fast als Tierquäler dargestellt, als ob ich die Leistung mit aller Gewalt erzwungen hätte.

Mein Bestreben war und ist es auch heute noch, meine Kühe gesund und leistungsgerecht zu versorgen. Oder hätte ich Luisa absichtlich einer Unterversorgung aussetzen sollen, um so ihre Leistung niedriger zuhalten?

Verstehen sie dies bitte nicht als Kritik an ihrem Buch, ich denke, grundsätzlich haben wir die gleichen bzw. sehr ähnliche Ansichten bezüglich der Milchviehhaltung. Muss ihnen auch gestehen, dass ich ihr Buch nicht gelesen habe (noch nicht), sondern nur den Teil über meine Luisa.

Nun vielleicht noch ein bisschen etwas zu GHH Luisa. Und zwar habe ich sie als 2 Kalbskuh auf der Auktion in Verden gekauft. Luisa wurde stets schnell wieder tragend und hatte bis zu ihrer 6.Kalbung am 1.8.2011 nie einen Tierarzt zu Gesicht bekommen, und musste auch von mir niemals behandelt werden. Jedoch hatte sie bei der 6. Kalbung ein so großes Kalb, dass der Tierarzt mir bei der Geburtshilfe helfen musste.

Luisa war eine ganz besondere und sehr eigenwillige Kuh, so stand sie fünf Jahre stets auf den selben Melkplatz (sie hatte vier zur Auswahl), wir hätten es auch nie gewagt, sie gegen ihren willen auf einen anderen Platz zu Melken. Große Skepsis hatte ich dann 2012 als auch Luisa dann in den neuen Melkroboter musste. Aber nach anfänglichen Schwierigkeiten und sehr sehr viel Geduld (von ihr und von mir) klappte das dann doch recht gut.

Am 20.3.2013 kalbte Luisa dann zum 7. Mal. Alles war prima, Kalb und Kuh waren beide fit. Jedoch schien es Luisa nun von Tag zu Tag schlechter zu gehen. Der Tierarzt war nun ca 2 Mal täglich da und eigentlich wussten wir nicht, was ihr fehlt. Alle Untersuchungen und Blutwerte ohne Befund, sogar, wie mein Tierarzt meinte, die Leberwerte völlig in Ordnung. Luisa ist dann an einem Sonntag morgen, nachdem der Tierarzt und ich ihr eine Infusion mit Glukose und Kochsalzlösung gemacht hatten, friedlich aber für mich dann doch plötzlich eingeschlafen. Ihr Halsband mit der Nummer 25 habe ich bis heute noch keiner anderen Kuh gegeben und werde es, denke ich in absehbarer Zeit auch nicht machen.

Ich möchte sie wirklich nicht mit dieser Mail kritisieren oder sonst irgendetwas Negatives, ich möchte bloß, dass sie wissen, dass ich meine Kühe und in diesem Fall ganz besonders Luisa nicht ausgenutzt habe und ich meine Kühe nicht als Wegwerfkühe betrachte.

Bitte entschuldigen sie diese lange Mail, aber haben sie bitte Verständnis dafür das es mir wichtig war mich zu Luisa zu äußern.

Mit freundlichen Gruß

Jens Hellmann“