Nein!

11.07.2017

Am Sonntag war ich im Presseclub  eingeladen, um über den G20-Gipfel in Hamburg zu diskutieren. Hier geht es zur Sendung! Ich habe danach viele Mails bekommen, mit Lob und Zustimmung, aber auch mit Kritik an meiner Position zum Polizeieinsatz. Zum Teil mit abenteuerlichen Schlüssen.

Deshalb hier eine Klarstellung: Nein! Wenn ich die Wahl von Hamburg als Veranstaltungsort kritisiere und die Polizeiführung für hartes Vorgehen an den Tagen vor dem Gipfel, als noch alles komplett friedlich war, dann bedeutet das nicht, dass ich mit Kriminellen sympathisiere, die Molotow-Cocktails werfen.

Dieser Reflex ist gefährlich. Denn er macht eine klare Analyse unmöglich.

Meine Einschätzung ist so: Ja, es war unverantwortlich, den Gipfel in Hamburg in unmittelbarer Nachbarschaft der Roten Flora zu veranstalten.

Und ja, ich halte es für eine Zumutung, der Polizei die Aufgabe aufzuhalsen, ein Messezentrum, den Flughafen, die Elbphilharmonie, zig Hotels, sämtliche Zufahrtswege zu sichern und nebenbei zwanzig, dreißig Demos mit insgesamt wohl 100 000 Demonstranten zu begleiten.

Nach den Protesten von Seattle, Genua und Heiligendamm kann niemand ernsthaft geglaubt haben, der Zorn sei verraucht. Und die Lust der Randale.

Und deshalb habe ich mich sehr über die deutlichen Worte von Sebastian Fiedler gefreut. Er ist der 2. Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter und er hat genau das bestätigt: Die Polizei wusste, was auf sie zukommt! Hier kann man ihn hören, im heutejournal, etwa ab fünf Minuten!

Und deshalb habe ich auch das harte Vorgehen der Polizei am Sonntag und Donnerstag vor Beginn der Krawalle kritisiert – als alles noch komplett friedlich war.

Am Sonntag hat die Polizei ein Protestcamp ziemlich brutal räumt, obwohl es gerichtlich gerade ausdrücklich erlaubt worden war. Und am Donnerstag hat sie eine genehmigte Demo  – „Welcome to hell“ – nach 100 Metern mit Wasserwerfern gestoppt und aufgelöst, obwohl die bis zu diesem Zeitpunkt friedlich gewesen war. Das hat auf viele Beobachter wie eine Eskalationsstrategie gewirkt. Auf mich auch. Als würde man Öl ins Feuer gießen.

Die Erfahrung mit den Krawallen am 1. Mai in Kreuzberg haben gezeigt, dass De-Eskalation möglich ist. Auch dort gab es Steinewerfer und andere Gewalttäter, die die Straßen erobern wollten. Und dort ist es mit Straßenfesten(!) und einer de-eskaliernd auftretenden Polizei gelungen, die Straßen friedlich zurückzugewinnen.

Natürlich waren in Hamburg auch Randalierer unterwegs, die keinen Anlass brauchten, um loszulegen. Aber ich glaube, die Auflösung der Demo hat die aggressive Stimmung unter den antikapitalistischen G20-Gegnern noch zusätzlich aufgeheizt. Und vielleicht einige mitgerissen.

Aber nochmal: Nein! Wenn ich in diesem Punkt die Einsatzleitung der Polizei kritisiere, bedeutet das weder, dass ich Vandalismus gutheiße noch dass ich Randalierer in Schutz nehmen möchte. Und auch nicht, dass ich die Gewaltaten und den Vandalismus damit entschuldige und einfache Schuldzuweisungen mache.

Und nein, ich glaube auch nicht, dass Autos anzuzünden eine politische Ausdrucksform ist. Nicht legitim, nicht sinnvoll, sondern gefährlich und ungerecht.

Doch Schwarzweißdenken ist in dieser komplexen Situation zu einfach. Deshalb habe ich hier Links zusammengestellt zum Anschauen und Weiterlesen.

Nikolai Kwasniewski vom Spiegel hat die Auflösung der Demonstration „Welcome to hell“ verfolgt. Hier können Sie hören, was er gesehen hat.

Hier stellt ein Blogger Fragen an die Polizei und den Innensenator von Hamburg.

Ein Kommentar aus der Berliner Zeitung: Die Eskalation ist eine Blamage für die Demokratie.

Hier eine allgemeine Einschätzung zur Strategie der Polizei bei sozialen Protesten von Peter Ullrich vom WZB, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Und zum Schluß ist zu sehen, wie ich mir die Demos gegen G20 in Hamburg gewünscht hätte: Das Bündnis Jugend gegen G20 geht nach der Eskalation am Donnerstag abend demonstrieren und ruft: „Wir sind eine friedliche Demo. Bitten setzen Sie Ihre Helme ab!“ Hier und hier kann man das nachlesen.

Ähnliches geschieht zum Ende der Demo „G20 not welcome“: Die Polizisten nehmen ihre Helme ab und werden bejubelt. Ich hätte mir gewünscht, diese Bilder wären von Hamburg aus um die Welt gegangen – als  Zeichen für alle Autokraten, die in ihren Ländern Meinungsfreiheit unterdrücken.

Und was noch zu sagen wäre: Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, Jean Ziegler, hat daran erinnert, dass es die Vereinten Nationen sind, die globale Probleme lösen müssen, und er fordert, G20 ersatzlos abzuschaffen, um die UN nicht noch weiter zu schwächen und um auch die Interessen der armen Länder der Welt zu vertreten.