Karl Ludwig Schweisfurth 1930-2020
Es war bei einer meiner ersten Recherchen über Landwirtschaft vor vielen vielen Jahren, da hat mir jemand von dem Fleischfabrikanten erzählt, der seine Fabrik verkauft hat, um neu anzufangen – als Bio-Landwirt und Metzger, der sein Handwerk versteht und nicht Fließbänder kontrolliert, sondern ob es den Schweinen auf der Weide gut geht.
Ich war sehr beeindruckt von der Geschichte und auch von der Unkompliziertheit und Offenheit, mit der Karl Ludwig Schweisfurth mir von seinem Weg zur symbiotischen Landwirtschaft erzählt hat: von den Schlachthöfen in Chicago, die er sich als junger Mann angeschaut hatte, um zu verstehen, wie die Zukunft der Fleischerzeugung aussehen würde, zu seiner eigenen Fleischfabrik, Herta, die er im Ruhrgebiet nach amerikanischem Vorbild aufgebaut hatte und zur größten Wurstfabrik Europas gemacht hatte. Bis zu dem Moment, wo er verstand, dass diese Zukunft, in der die Agrarindustrie die bäuerliche Landwirtschaft verschlingt, keine gute war.
Ein Anruf genügte, natürlich nehme er sich Zeit, was ich denn wissen wolle? Ich erinnere mich so gut an dieses erste Gespräch vor vielen Jahren, weil er so voller Enthusiasmus für eine Agrar- und Ernährungswende war, und weil ich spürte, wie sehr er für diese Sache brannte und andere mitreißen konnte. Er hat die Hermannsdorfer Landwerkstätten bei München zu einem Ort gemacht, an dem alles zusammenkommt: die bäuerliche Landwirtschaft und das Lebensmittelhandwerk, der Marktplatz und der Schauplatz. Und er hat eine Stiftung gegründet, die diese Idee einer guten ganzheitlichen Landwirtschaft erforscht und verbreitet.
Das alles zu hören tat so gut, weil ich damals, bis zum Anfang der Nullerjahre, so viele Gespräche mit Landwirten aus meiner ostwestfälischen Heimat geführt hatte, für die Biobauern romantische weltfremde Spinner waren, auf deren Feldern Kraut und Rüben durcheinander wuchsen und die von der wahren Wirtschaft keine Ahnung hatten. Wenn ich von so was schwärmen würde, hätte ich den Schuss wohl nicht gehört, so sagten die Landwirte damals.
Dass da nun jemand, der gerade von der Wirtschaft ganz viel Ahnung hatte und damit ganz viel Geld verdient hatte, es anders machte, und das sehr erfolgreich, war für mich eine Genugtuung.
Es war eine große Ehre für mich, als mich die Schweisfurth-Stiftung zur Kuratorin ernannte, als Nachfolgerin des Bio-Pioniers Josef Jacobi. Und ein weiterer Ansporn, die Zuversicht, mit der Karl Ludwig Schweisfurth die Agrar- und Ernährungswende theoretisch und praktisch vorangetrieben hat, weiter zu verbreiten.
Gerade jetzt, wo so viele Landwirtinnen und Landwirte zornig und verzweifelt auf die Straßen ziehen, weil sie sehen, wie die Agrarindustrie ihre Höfe frisst – gerade jetzt brauchen wir andere Modelle für gesundes Essen und gute Landwirtschaft und faire Tierhaltung.
Am letzten Wochenende ist Karl Ludwig Schweisfurth gestorben, und auch wenn es pathetisch klingt: Seine Erbe soll weiter wirken und ganz viele Menschen auf dem Land inspirieren und mitreißen.