Der Wald meiner Kindheit, die Egge, kann Nationalpark werden. Helft alle mit!
Meine Heimat Ostwestfalen ist gerade dabei, Naturschutzgeschichte zu schreiben: Dort läuft gerade ein Bürgerentscheid für den Nationalpark Egge!
Die Bürger*innen der Kreise Höxter und Paderborn haben sich das Recht auf diese Abstimmung erstritten, zum ersten Mal in der Geschichte der Kreise, mit einem eindrucksvoll gewonnenen Bürgerbegehren – gegen den erbitterten Widerstand der konservativen Mehrheit.
Jetzt geht es ums Ganze: Die Egge – mein schönes unbekanntes Mittelgebirge, der Wald meiner Kindheit – könnte Nationalpark werden. Wie Yellowstone, Ngorongoro, der Kellerwald und die Eifel!
Doch die Verhinderer argumentieren mit lauter Fake News gegen den Nationalpark: Wanderwege gingen verloren – und Arbeitsplätze. Außerdem sei die Biodiversität heute im Wirtschaftswald so hoch wie nie zuvor. Oha!
Wir haben deshalb einen Offenen Brief geschrieben, denn wir wollen, dass es fair zugeht beim Bürgerentscheid! Wir wollen nicht, dass die Leute dagegen stimmen, weil sie glauben, wenn der Nationalpark kommt, dürften sie nicht mehr in den Wald und Bauern würden enteignet.
Es kann nicht sein, dass das Erreichen von nationalen und internationalen Biodiversitäts-Zielen an solchem Unsinn scheitert!
Hier ist unser Offener Brief!
Erd-Charta-Botschafterin Valeria Geritzen, valeria.geritzen@gmail.com
Dr. Tanja Busse, Ko-Autorin von „Der Grund: Die neuen Konflikte um unsere Böden“, mail@tanjabusse.de
Esther Kleine, Medienmanagerin, esther-kleine@t-online.de
Dr. Günter Bockwinkel, naturschutzfachlicher Berater des Bündnisses „Wildschön – Ja zum Nationalpark Egge“, guenter.bockwinkel@nzo.de
Caritasdirektor Dr. Christoph Humburg, Chr.Humburg@web.de
Karsten Otte, Sprecher Bezirkskonferenz Naturschutz OWL, ko@obsthof-otte.de
Ostwestfalen im Mai 2024
Offener Brief zum Bürgerentscheid über einen Nationalpark Egge
Sehr geehrte Kreisdirektorin des Kreises Höxter Manuela Kupsch, sehr geehrter Landrat des Kreises Höxter Michael Stickeln,
sehr geehrte Fraktionen in den Stadträten Beverungen, Borgentreich, Brakel, Bad Driburg, Höxter, Nieheim, Marienmünster, Steinheim, Warburg, Willebadessen,
sehr geehrter Landrat des Kreises Paderborn Christoph Rüther,
sehr geehrte Bürgermeister Hubertus Grimm, Nicolas Aisch, Hermann Temme, Burkhard Deppe, Daniel Hartmann, Johannes Schlütz, Josef Suermann, Carsten Torke, Tobias Scherf, Norbert Hofnagel,
sehr geehrte Fraktionen in den Stadträten Bad Lippspringe, Bad Wünnenberg, Büren, Delbrück, Lichtenau, Paderborn, Salzkotten und in den Gemeinderäten Altenbeken, Borchen, Hövelhof,
sehr geehrte Bürgermeisterin Ute Dülfer und die Bürgermeister Ulrich Lange, Christian Carl, Burkhard Schwuchow, Werner Peitz, Michael Dreier, Ulrich Berger, Matthias Möllers, Uwe Gockel, Michael Berens,
sehr geehrte Fraktionen in den Kreistagen Höxter und Paderborn,
sehr geehrter Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Hendrik Wüst,
sehr geehrter Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen Oliver Krischer,
sehr geehrte Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen Silke Gorißen,
sehr geehrte Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen Mona Neubaur,
sehr geehrter Präsident des Deutschen Landkreistages Reinhard Sager,
sehr geehrter Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt Jan Holzer,
sehr geehrte Vorständin von Mehr Demokratie Claudine Nierth,
sehr geehrter Landesgeschäftsführer Mehr Demokratie NRW Achim Wölfel,
sehr geehrter Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Umwelt-, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Jan-Niclas Gesenhues,
sehr geehrte Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Steffi Lemke,
sehr geehrter Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung Cem Özdemir,
sehr geehrter Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck,
dies ist ein Hilferuf!
Wir brauchen Ihre Unterstützung, denn wir fürchten, dass der in den nächsten Tagen startende Bürgerentscheid über den Nationalpark Egge nicht fair ablaufen wird. Nordrhein-Westfalen könnte seinen zweiten Nationalpark verspielen, wenn Fake News nicht widersprochen wird.
Eine demokratische Entscheidung kann nicht auf der Basis von Unwahrheiten getroffen werden, das gefährdet die Demokratie.
Wir freuen uns sehr, dass Nordrhein-Westfalen endlich einen zweiten Nationalpark einrichten will, den die anderen großen Bundesländer längst haben. Dafür folgen wir den Empfehlungen der großen Umweltverbände und schlagen die Staatswaldflächen in der Egge vor, in unserem wunderschönen Mittelgebirge mit seinen einzigartigen Blockschuttkorridoren und Wildkatzenrevieren.
Wir wünschen uns, dass die Kreise Höxter und Paderborn eine gemeinschaftliche Bewerbung für die Egge als 17. Nationalpark Deutschlands beim Land NRW einreichen. Leider haben sich jedoch beide Kreistage mit ihren konservativen Mehrheiten faktisch dagegen entschieden, der Kreis Höxter auch formal.
Wir sind irritiert: Trotz Biodiversitätskrise mit fortschreitendem Artensterben und unkalkulierbaren Klimafolgen schieben unsere Kreistage das Thema auf den Standstreifen?
Wir wundern uns auch über das komplizierte Verfahren: Warum sollen sich die Kreise und Regionen in Nordrhein-Westfalen um einen Nationalpark bewerben, wenn es um das Erreichen von nationalen, europäischen und internationalen Umweltschutzzielen geht und die ausgewiesenen Flächen ohnehin in staatlicher Hand sind?
Ein Bewerbungsverfahren einer Region für einen Nationalpark ist kein einfacher Weg: Viele Studien zeigen, dass in Nationalpark-Regionen die Zustimmung erst steigt, wenn die Anwohnerinnen und Anwohner die ökonomischen und ökologischen Vorteile direkt am Ort erleben. Die Universität Cambridge hat weltweit und auch in der Eifel Anwohnende geschützter Gebiete befragt und über die Jahre stark gewachsene hohe Zustimmungswerte von 83 % gemessen (www.fidelio.landecon.cam.ac.uk/). Doch vorher überwiegt bei vielen die Skepsis.
Doch die Bürgerinnen und Bürger der Kreise Höxter und Paderborn haben die Chance auf eine Bewerbung selbst in die Hand genommen: Sie haben ein Bürgerbegehren für den Nationalpark gestartet und klar gewonnen. Nun kommt es zum Bürgerentscheid: ab dem 21. Mai werden die Wahlunterlagen versandt, bis zum 12. Juni kann abgestimmt werden. Zum ersten Mal in der Geschichte könnte ein Nationalpark per Bürgerentscheid über direkte Demokratie entstehen. Die Ostwestfalen haben die Chance, Naturschutzgeschichte zu schreiben!
Ein solcher Bürgerentscheid setzt aber gut aufbereitete Informationen und einen barrierefreien Informationsfluss voraus – unter der Prämisse, dass die Bildung einer eigenen Meinung auf der Basis von Fakten im Rahmen eines Bürgerentscheids ein schützenswertes Gut ist. Dafür müssen sich die Landkreise Höxter und Paderborn nun einsetzen.
Genau das wird gerade mit aller Kraft unterlaufen: Angesehene Vertreter der CDU verbreiten wider besseres Wissen vielfach widerlegte Falschmeldungen. So fürchten Landwirte Pufferzonen und sogar die Enteignung, viele Menschen glauben, Wanderwege würden gesperrt, ein Betreten großer Teile der Egge werde verboten, Steuergelder würden nicht sinnvoll eingesetzt. Es ist ein Klima der Angst und Verunsicherung entstanden.
In verschiedenen kommunalen Ratssitzungen werden CDU-Anträge mit Resolutionen gegen den Nationalpark eingebracht und mit konservativen Mehrheiten verabschiedet. Doch diese Resolutionen enthalten Falschaussagen: So beanstandet die Warburger Resolution, das ausgewiesene Gebiet habe keine besondere Eigenart und sei nicht für einen Nationalpark geeignet – die CDU-Fraktion stellt sich damit über das Ergebnis der Suchkommission des Landes.
Dass der im Nationalpark fehlende Holzeinschlag den Kreisen Einnahmen nähme, die nicht durch neue Einnahmen aus dem Tourismus aufzufangen seien, widerspricht allen Daten aus den übrigen Nationalparkregionen. Wieso werden diese Erfahrungen unterschlagen?
Wenn Stadträte als höchste kommunale Gremien kurz vor einem Bürgerentscheid Resolutionen mit falschen Behauptungen verabschieden, ist für die Bürgerinnen und Bürger keine faire Meinungsbildung möglich. All das wird von den Kreisen Paderborn und Höxter seit Wochen hingenommen und nicht korrigiert.
Auch die Besetzung und Ausrichtung der offiziell von den Kreisen Höxter und Paderborn durchgeführten Informationsveranstaltungen zum Thema Nationalpark halten wir für nicht ausgeglichen.
Kurz noch einmal die Fakten: Wir befinden uns im sechsten Massenaussterben von Arten der Erdgeschichte. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES warnt, dass eine Million Arten in den nächsten Jahrzehnten aussterben könnten – wenn wir nicht schnell handeln. In nordrhein-westfälischen Naturschutzgebieten hat die Biomasse der Fluginsekten innerhalb von 27 Jahren um mehr als 75 % abgenommen (Hallmann et al. 2017). Das Bundesamt für Naturschutz stuft mehr als ein Viertel aller Insektenarten als gefährdet ein. In NRW stehen 45% der untersuchten Arten auf der Roten Liste.
Deutschland hat sich mit dem Unterzeichnen des Abkommens von Montreal verpflichtet, das Artensterben zu stoppen und die Biodiversität deutlich besser zu schützen. Unsere Nationale Biodiversitätsstrategie fordert seit vielen Jahren 5 Prozent Wildnis in unseren Wäldern. Doch in Nordrhein-Westfalen befinden sich zurzeit gerade ca. 1,8% unter strengem Schutz, das Ziel ist klar verfehlt. Damit steht fest: Viele Staatswälder müssen in den nächsten Jahren ohnehin aus der wirtschaftlichen Nutzung genommen werden, nur dann eben ohne das Markenzeichen Nationalpark, das unsere strukturschwache Region gut gebrauchen könnte.
Es geht bei der Debatte zum zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen also nicht um einen Lokal- oder Kommunalgarten mit dem Prädikat „nice to have“, sondern um eine wichtige Biodiversitätsfläche mit nationaler Bedeutung.
Die Egge beherbergt einen überlebenswichtigen Genpool, sie ist eine wichtige Achse der grünen Infrastruktur und sie könnte – wenn die für die früheren Fichtenkulturen angelegten Entwässerungsgräben wieder verschlossen werden – ein kühlender Schwammwald werden, ein Wasserspeicher für die kommenden Dürren. Wiedervernässte Moore und Bruchwälder sind ein extrem wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.
Unser Naturraum Egge ist aufgrund der stetigen Entwicklung von Schutzgebieten gut geeignet, Vorreiter beim Schutz der Wildnisarten zu sein. Wir als zeichnende Bürgerinnen und Bürger sehen es als unsere Pflicht an, uns dafür einzusetzen. Wir haben jetzt die Chance, ein großartiges Ökosystem zu verteidigen, etwas Großes für den Naturschutz zu erreichen, uns einzusetzen für die Bewahrung der Schöpfung. Viele Ostwestfalen sind mit Herzblut dabei.
Es hat sich ein breites gesellschaftliches Bündnis für die Nationalparkbewerbung zusammengefunden – ein demokratischer Aufbruch in schwierigen Zeiten! Dieses Engagement zeigt, dass die Demokratie auf dem Land sehr lebendig ist und dass es eine große Bereitschaft für ehrenamtliches Engagement gibt.
Wir sind irritiert, wie stark die konservative Mehrheit den Bürgerentscheid als Mittel der direkten Demokratie manipuliert und fordern eine faire Durchführung des Bürgerentscheids. In Zeiten wie diesen dürfen wir das Vertrauen in politische Mandatsträger nicht weiter schwächen, sondern wir müssen uns für die Demokratie vereinen – nicht nur gegen die AfD!
Von den regionalen Verantwortlichen fordern wir:
Besinnen wir uns gemeinsam auf die Stärken unserer Region! In Ihren verschiedenen Ämtern und Funktionen sind Sie nicht primär Ihrer Partei oder Ihren Fraktionen gegenüber verantwortlich, sondern allen Bürgerinnen und Bürgern und dem Erhalt der Lebensgrundlagen unserer Kinder im Sinne der Biodiversitätsstrategie. Ein Nationalpark ist eine große Chance, ein Projekt mit Vorbildcharakter für das ganze Land. Unsere Region braucht ein identitätsstiftendes Leuchtturmprojekt. Mit dem Nationalpark Egge können bundesdeutsche und europäische Ziele von großer Bedeutung und Tragweite erreicht werden. Geben Sie dem Bürgerentscheid eine faire Chance!
Sehr geehrte Verantwortliche auf Landes- und Bundesebene,
wir bitten Sie, sich persönlich dafür einzusetzen, dass es bei diesem so wichtigen Bürgerentscheid fair zugeht. Falschinformationen dürfen nicht politisch gebilligt werden!
Herzliche Grüße und vielen Dank für Ihre Hilfe!
Dr. Tanja Busse, Valeria Geritzen, Esther Kleine, Dr. Günter Bockwinkel, Dr. Christoph Humburg, Karsten Otte
Unterzeichner*innen
Peter Wohlleben, Förster und Bestsellerautor
Monsignore Pirmin Spiegel, Vorstandsvorsitzender Bischöfliches Hilfswerk Misereor
Sigrid Beer, MdL a.D.
Elsa Nickel, Ministerialdirigentin i.R.
Prof. Dr. Bernd Gerken
Dr. Tom Steinlein, Ökosystembiologe an der Universität Bielefeld
Ulrich Eichelmann, Riverwatch
Caroline Peters, Schauspielerin
Frank Dehner, Schauspieler
Jenny Schon, Autorin
Orchester des Wandels Bielefeld
Detlef Grooß, Orchester des Wandels e.V.
Dr. Friedhart Knolle, Gesellschaft zur Förderung des Nationalparks Harz e.V.
Leonore von Falkenhausen, Sängerin
Christian Schulte, Restaurator und Bundespreisträger im Denkmalschutz
Hans Jürgen Wessels, Bürgermeister a. D. und Vorsitzender des Fördervereins Nationalpark
Marion Wessels, Förderverein Nationalpark Senne-Eggegebirge e.V. Presse und Kommunikation
Dr. Peter Borgmann, Dipl. Biologe
Thomas Hüvelmeier, Geschäftsführer Naturwissenschaftlicher Verein Paderborn e.V.
Michael Schurwanz, Physiker und Autor von „Umdenkbar“
Jutta Fritzsche, Stadtrat Grüne/Kreistag Grüne
Martina Gamm, Ratsfrau im Rat der Stadt Paderborn, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Bernd Blome, Fraktionssprecher Bündnis 90 / Die Grünen Bad Driburg
Hermann Ludwig, Mitglied des Kreistags Höxter
Markus Müller, BUND Paderborn
Fritz Buhr, Studiendirektor i.R.
Heidi Buhr, Lehrerin i. R.
Carolin Köhler
Birte Brand
Werner Stock
Gerda Werth
Alexandra Knoke
Christian Holtgreve
Frederick Lüke Dieter Dubisch, Umweltschutzverein Pro grün e.V. Paderborn
Dr. Jutta Seinmetz, NABU Kreisverband Paderborn
Otmar Lüke, NABU Kreisverband Paderborn
Catharina Scheerhans und Markus Rieger, Vorsitzende und Sprecher des Stadtvorstandes Paderborn
Kirsten und Raphael Strauch, Wildtierhilfe Höxter
Dr. med. Ulrich und Marion Streich
Ursula Scheve-Sauerland, Lehrerin
Carsten Knoop, Borchen
Fabian Sedlaczek und Katrin Kastner, Ortsverband der Grünen, Bad Lippspringe
Michael Dahm